Die Echte Mehlbeere ist der Baum des Jahres 2024. Einer Tradition folgend haben Stadtklimarätin Simone Fedderke, Vera Wilmes, Ortsvorsteherin des Stadtteils Brasselsberg, sowie Vorschulkinder der Evangelischen Kindertagesstätte Fröbelseminar eine Mehlbeere auf dem Grünzug Druseltalstraße gepflanzt.
Seit mittlerweile 20 Jahren werden unter der Regie des Umwelt‐ und Gartenamts der jeweilige Baum des Jahres an unterschiedlichen Orten in Kassel gepflanzt. „Jeder Baum ist eine Investition in die Zukunft und ein weiterer Schritt in Richtung Stadt der 100.000 Bäume,“ sagt Stadtklimarätin Simone Fedderke.
Das 1991 gegründete Kuratorium „Baum des Jahres“ wählt jedes Jahr eine bestimmte Baumart aus, um diese der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Aktion soll nachhaltig für das lebendige Naturgut sensibilisieren sowie Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen den Umgang mit Naturkenntnissen und Naturerfahrungen ermöglichen. In diesem Jahr fiel die Wahl auf die Mehlbeere.
Woher der Name der Mehlbeere kommt, ist nicht eindeutig erklärt. Die Früchte schmecken mehlig, die Blattunterseiten sowie jungen Triebe sehen bemehlt aus und die getrockneten Früchte sollen in Notzeiten gemahlen dem Mehl beigemengt worden sein.
Die Echte Mehlbeere ist ein Laubbaum und gehört zur Familie der Rosengewächse. Im Herbst ist die Mehlbeere mit ihren leuchtenden Früchten und dem grünen, roten, doch vorwiegend gelben und lange haftenden Laub eine attraktive Erscheinung.
Vorkommen und Vermehrung/Verbreitung
Bis zum Ende der letzten Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren war die Mehlbeere im südöstlichen Europa heimisch, mittlerweile ist ihr natürliches Verbreitungsgebiet in West‐ und Mitteleuropa. In der heimischen Region liegt die nördliche Grenze in etwa beim Kaufunger Wald. Die Echte Mehlbeere ist natürlichen Ursprungs in Hügellandschaften anzutreffen, in den Alpen steigt sie bis auf 1.600 Meter über dem Meeresspiegel. Als Lawinenschutz pflanzt man sie bis in einer Höhe von 2.000 Meter.
Die Echte Mehlbeere mag es kalkhaltig, lehmig, steinig, felsig, sonnig und licht, weshalb sie an Rändern der Wälder, auf der Heide oder Mager‐ und Trockenrasen anzutreffen ist. Je nach Untergrund passt sich der Wuchs der Echten Mehlbeere an. Sie ist ein mittelgroßer Baum mit einer Höhe zwischen 6 und 15 Metern, in England sind einzelne Exemplare – bedingt durch das milde Klima – 20 Meter hoch. Die Krone ist breit kegelförmig bis oval bei einem Durchmesser von 4 bis 12 Meter. Auf Felsblockhalden und Steilhängen bildet sie sich häufig als Strauch oder mehrstämmiger Solitär aus. Die Echte Mehlbeere wird bei guten Bedingungen 150 bis 200 Jahre alt. Sie liebt sonnige Orte mit wenig Wuchskonkurrenz: in offenen Landschaften, Parks oder auch als Hausbaum. Als Stadt‐ und Straßenbaum wird sie immer beliebter.
Die Mehlbeere wird durch Insekten bestäubt. Sie kreuzt sich auch mit nah verwandten Arten wie der Elsbeere, der Eberesche oder anderen Mehlbeerarten. Allein im Gebiet der Bundesrepublik sind über 30 Mehlbeerhybriden bekannt, wodurch sie sich kleinräumige Nischen an schwer besiedelbaren Standorten erschlossen.
Die Verbreitung der Samen gelingt mithilfe von Tieren, welche die Früchte verzehren. Nach dem Frost entfalten Mehlbeeren ihr süßliches Aroma und werden so zu einem Leckerbissen für kleine und große Säugetiere. In Großbritannien wurden 18 Vogelarten beim Verspeisen der rötlichen Früchte gesichtet. In früheren Zeiten wurden die Früchte auch zur Schweinemast eingesetzt. Wahrscheinlich wuchs die Echte Mehlbeere auch in Waldgebieten, als die ursprünglichen Wälder durch ehemals intensivere Waldnutzung noch lichtere Stellen aufwiesen.
Klimatauglicher Baum
Die Echte Mehlbeere wurzelt als Pfahlwurzler recht tief in Lehm‐ oder Steinböden. Sie mag offene Standorte mit wenig Konkurrenz, oftmals in Gesellschaft mit Eichen, Buchen und Hainbuchen. Auch in lichten Laub‐ und Mischwäldern ist sie anzutreffen, stets als singulärer Baum ihrer Art. Insgesamt ist die Mehlbeere gegen Krankheiten und Schädlinge recht robust. Sie ist schnittverträglich, bis -20° Celsius frosthart und windfest. Gleichzeitig kann die Echte Mehlbeere auch sommerliche Hitze und Trockenheit vertragen. Sie ist zwar ein robuster und stadtklimatauglicher Baum, auf Streusalz sollte in seiner Nähe möglichst verzichtet werden. In Zeiten des Klimawandels gilt die echte Mehlbeere als ein städtischer Zukunftsbaum und gewinnt damit noch mehr Bedeutung.
Nutzung
Die Echte Mehlbeere ist ein wichtiges Pioniergehölz, um Waldgehölze vorzubereiten. Das bedeutet, dass sie sich auf baumfreien Flächen schnell und leicht niederlassen kann. Im Laufe der Zeit wird sie jedoch von anderen höherwüchsigen Bäumen überragt und verdrängt. Durch gezielte Pflanzung als Lawinenschutz kommt der Echten Mehlbeere im Alpenraum eine besondere Bedeutung zu. Sie ist einer der vier häufigsten Bäume zur Schutzwaldverjüngung.
Das Holz ist gegen Witterung unempfindlich und dauerhaft, es schwindet nur wenig bei der Trocknung. Es weist leichte Streifen auf, die Tönung reicht von Orange zu Braunrot. Durch seine Ähnlichkeit mit dem Obstgehölz wird das Holz oft unter dem Namen „Schweizer Birnbaum“ im Handel geführt. Früher wurde es auf Grund seiner leichten Verarbeitung bei gleichzeitiger Härte sowie Zähigkeit sogar für Wagenräder und Achsen genutzt. Noch heute findet es Verwendung in der Möbelwerkstatt, wird beim Mühlenbau eingesetzt und ist bei Werkzeug‐ und Instrumentenbauern beliebt.
Kulinarisch ist die Echte Mehlbeere sehr vielseitig. Die Samen lassen sich zu Ersatzkaffee verarbeiten. Die Früchte eignen sich fürs Einkochen in allen Varianten und als Aroma oder für die Weiterverarbeitung zu Getränken, aus den Blüten kann Sirup gewonnen werden. Auch die getrockneten Früchte sind genießbar, als Trockenobst oder gemahlen als vitaminreiche und die Haltbarkeit verlängernde Mehlbeigabe.
Die Echte Mehlbeere hat einen besonderen ökologischen Wert. Sie gilt als wichtiges Vogelnährgehölz. Die Mehlbeeren sind den gesamten Winter am Baum zu finden und bieten für zahlreiche Vogelarten, Kleinsäuger und Wildschweine eine schmackhafte, vitaminreiche Nahrungsquelle. Auch Milben und Insekten finden hier Heimat und Futter. Sie trägt zu hoher Biodiversität bei und kann einen großen Beitrag für die heimischen Artenvielfalt leisten.
Weitere Informationen unter https://www.kassel.de/baum‐des‐jahres
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