Alte Schulden, neue Schulden – dieses Thema drückt viele Städte. Auch Witten. Das große Ringen um Lösungen ist zäh, die Rolle von Bund und Land findet in den Städten wenig Beachtung. Lokal steht im Fokus, wofür alles kein Geld da ist. Umso wichtiger ist es, auch nach Berlin und Düsseldorf zu schauen:
Das Bundesfinanzministerium hat zum wiederholten Mal die Bedingungen für eine Altschuldenlösung vorgelegt, NRW reagiert darauf bisher als einziges Bundesland nicht. Deshalb fordert das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, dass nun beide einen großen Schritt machen.
Die finanzschwachen Kommunen in Deutschland sind an einem Punkt, an dem sie nie sein wollten: der Punkt, an dem die Schulden wieder wachsen. In den vergangenen Jahren haben sie Personal abgebaut, wichtige Investitionen in ihre Straßen und Gebäude aufgeschoben sowie freiwillige Leistungen gekürzt, um Schulden zu reduzieren. Mit diesen großen Anstrengungen senkten sie ihre Kreditlast um rund 20 Milliarden Euro. Durch Zinssteigerungen und Kostenexplosion verschlechtern sich die Bedingungen nun aber so, dass die Schuldenkurve wieder nach oben deutet.
Die Kommunen stecken in einer FinanzkriseEin Gesamtdefizit von rund sieben Milliarden
Euro in den Haushalten 2023 zeigt dies überdeutlich. Auf Bundesebene ist
eine vorsichtige Reaktion auf diese Lage zu spüren: Der Finanzausschuss
des Bundestags treibt das Thema mit Erklärungen
und Anfragen voran. Das zuständige Ministerium kündigte eine Fachtagung
zu Kommunalfinanzen für den 5. Juli an und legte Mitte April noch
einmal seine Eckpunkte für eine Altschuldenlösung unverändert vor. Es
bestätigte damit offiziell, zu seinem Angebot zu
stehen. Nordrhein-Westfalen, das einzige Bundesland
ohne Altschuldenlösung, hat sich dazu bisher nicht verhalten. Die
Landesregierung kannte die Eckpunkte des Bundesfinanzministeriums
bereits im vergangenen Jahr. Dennoch legte sie eine Lösung
ohne substanzielle finanzielle Beteiligung des Landes vor und
scheiterte damit krachend. Die Verantwortlichen pflegen das Narrativ,
der Bund sei daran schuld, und lassen bisher nicht erkennen, dass der
für dieses Jahr geplante neue Vorschlag eine große Veränderung
mit sich bringt.Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer
Städte“, in dem sich finanzschwache Kommunen aus acht Bundesländern
zusammengeschlossen haben (mehr als 8,7 Millionen Einwohnerinnen und
Einwohner), hat daher bei seiner Konferenz in Berlin
klare Forderungen an beide Ebenen formuliert:Forderung an das Land NRWDas bevölkerungsreichste Bundesland muss eine
Altschuldenlösung vorlegen, mit der es die übermäßigen
Liquiditätskredite der Kommunen (mehr als 100 Euro je Einwohner)
komplett übernimmt. Der Bund wird anschließend für die Hälfte davon
einstehen. Nordrhein-Westfalen hat also die Chance, seine Kommunen von
Krediten in Höhe von rund zehn Milliarden Euro zu befreien. Es selbst
muss dafür lediglich einen jährlichen Beitrag von 350 bis 500 Millionen
Euro einplanen – das ist die Größenordnung,
die es vom Stärkungspakt NRW kennt.Dies ist für die Millionen Betroffenen in
Nordrhein-Westfalen dringend erforderlich – und auch darüber hinaus:
Andere Bundesländer mit finanzschwachen Kommunen haben bereits
Altschuldenlösungen gefunden. Diese entfalten ihre volle Wirkung
aber nur, wenn es auch den Bundesanteil gibt. Diesen blockiert NRW mit
seinem Verhalten bisher und sollte auch aus Solidarität mit Hessen,
Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Brandenburg und
dem Saarland endlich den richtigen Weg einschlagen.Forderung an den BundDa die Eckpunkte hinlänglich bekannt sind, muss
das Bundesfinanzministerium nun einen Gesetzesentwurf einbringen. Die
Lösung wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat
brauchen. Deshalb muss der Gesetzgebungsprozess
nun beginnen, damit die Altschulden-Übernahme im Bundeshaushalt 2025
erfolgen kann.Schritte in die Zukunft An den Altschuldenlösungen des Bundes und des
Landes NRW werden sich die finanzschwachen Kommunen selbstverständlich
beteiligen. Und sie werden sich ebenso selbstverständlich mit voller
Kraft dafür einsetzen, dass keine neuen Schulden
entstehen. Dafür braucht es dann weitere Schritte: eine angemessene
Finanzausstattung der Städte und Kreise sowie eine Reform der
Förderpolitik. Die Mittel müssen einfach und unbürokratisch abrufbar
sein und nach Bedürftigkeit verteilt werden. Bisher landet
Fördergeld vor allem bei wohlhabenden Städten und nicht bei denen, die
mitten in der kommunalen Finanzkrise stecken.