Umsteigen ist die Devise für drei Siegburger Familien im Januar 2024. Als Testpiloten nehmen sie vier Wochen lang an der “Umsteigen”-Aktion des städtischen Umweltamts teil und erproben Verkehrsmittel-Alternativen zum eigenen Wagen.
Der Januar ist kein einfacher Monat für die Probe aufs Exempel, wie weit man ohne eigenen Pkw kommt. Kalt, dunkel, grau, glatt. Diese Erschwernis spielte in den Überlegungen des Umweltamts durchaus eine Rolle. Frei nach dem Motto: Wer die Wende im Januar schafft, der schafft sie auch wirklich.
Dieser Januar aber hatte es ganz besonders in sich. Landwirte demonstrieren bundesweit, die Lokführergewerkschaft GDL tritt für insgesamt neun Tage in den Ausstand. Während zum Jahreswechsel zuerst langanhaltender Regen die Pegel von Sieg und Agger steigen lässt, wirkt sich zum Ende des Monats die rasche Schneeschmelze auf die kleineren Zuläufe aus und flutet angrenzende Wiesen. Apropos Schnee: Der behindert an mehreren Tagen das Fortkommen. Nachts fällt das Thermometer vereinzelt auf fast zweistellige Minusgrade, tagsüber gibt es Eiseskälte und eine Schneedecke von bis zu zehn Zentimetern. Als Folge fällt der Präsenzunterricht an den Schulen im Rhein-Sieg-Kreis aus, RSVG und SWB stellen zeitweise den Betrieb ein.
Dies die Rahmenbedingungen, jetzt zum Erlebnis der Beteiligten. “Meine Tochter wohnt schon seit Jahren in Köln. Ziemlich schnell hat sie ihr Auto aufgegeben und ist es nicht anders gewohnt als mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder zu Fuß von A nach B zu kommen. Unsereins braucht da schon ein bisschen mehr Mut, um aus gewohnten Mustern auszubrechen”, blickt Martina Richartz auf den Jahresbeginn zurück. Der Fuhrpark der Siegburgerin und ihres Mannes Thomas besteht aus zwei Pkw, einem Motorrad und E-Bikes. “Ich will ehrlich sein: Vor Beginn des zweiten Streiks war ich noch guter Dinge, währenddessen bin ich ausnahmsweise aufs Auto umgestiegen, um zur Arbeit zu kommen, oder habe Homeoffice gemacht”, erinnert sie sich. Ab der vierten Testwoche kam dann der neue Elektro-Dienstwagen ihres Mannes hinzu, den das Ehepaar testen wollte. “Nichtsdestotrotz sind wir von der Aktion sehr angetan. Wenn man – wie ich – 40 Jahre Auto fährt, wird man bequem. Man ist nicht wirklich bereit, neue Mobilitätsformen auszuprobieren.”
Besonders überzeugt haben sie die E-Scooter, die sie zuvor nicht in Gebrauch hatten. Fahrspaß, eine einfache Ausleihe und Handhabung stehen auf der Pro-Liste der umstrittenen Zweiräder. “Für kurze Wege werden wir die Nutzung definitiv beibehalten, für lange Strecken steht der Preis in keinem Verhältnis.” Ebenfalls angetan ist das Duo vom Einkaufstrolley, der durch seine Wendigkeit, Stauraum und sogar eine Kühlfunktion besticht. Damit es von der Öffentlichkeit jedoch nicht als Rentnergefährt wahrgenommen wird, müsste es einen Mentalitätswandel geben, ist sich die 58-Jährige sicher.
Bleibt die Beantwortung einer abschließenden Frage: “So lange ich berufstätig bin, kann ich mir nicht vorstellen, auf einen eigenen Pkw zu verzichten. Dafür fahre ich einfach viel zu gerne. Selbst zum Urlaub in Spanien geht’s mit dem Auto.”